Mein erstes Jahr mit meiner Familie

Ich heiße Elsa.

Als ich geboren wurde, war es kalt und irgendwie leer. Ich hatte meine Mama, das weiß ich noch, aber sie war oft nervös unf laut. Es war, als hätte sie selbst Angst. Die Menschen kamen nur kurz. Sie redeten nicht mit uns. Kein Streicheln, kein liebevolles Wort. Nur Blicke, die durch mich hindurchgingen.

Dann kamen zwei Menschen. Ich war fünf Wochen alt. Der Mann roch traurig. Die Frau war warm, aber vorsichtig. Ich hab sie trotzdem gemocht. Und ich wollte mit ihnen gehen. Irgendwas in mir hat das einfach gewusst.

Aber zuerst kam etwas ganz Schlimmes. Ich wurde in eine Kiste gesteckt und ganz alleine zu einer fremden Frau gebracht. Es roch komisch dort. Und es tat weh. Ich hatte Halsweh und mein Bäuchlein brannte. Die Frau stach mich mit spitzen Dingen. Ich wollte nur weg. Ich hatte so Angst.

Dann, mit neun Wochen, durfte ich mitgehen. Zu den beiden Menschen, in ein Haus, mit Garten. Das war so fremd, das kannte ich alles gar nicht und ich wusste auch nicht, was das bedeutet: ein Zuhause. Aber ich wusste, ich muss kämpfen. Ich war klein, aber ich musste mich groß machen. Stark. Schnell. Wild.

Ich biss. In Beine. In Hände. In Hosen und Jacken. Ich zerriss Stoffe, Haut, Gedanken. Ich konnte nicht anders. Wenn jemand sich bewegte, zuckte, redete – ich musste reagieren. Ich konnte nicht schlafen, außer im Arm. Und selbst da war ich wach, wenn sie nur tief einatmeten.

Ich fraß, was ich fand. Taschentücher. Beutel. Alles, was nach Mensch roch. Ich fraß auch meinen Kot. Nicht, weil ich komisch bin. Sondern weil ich das nicht anders kannte, aus Hunger und weil ich gelernt hatte: Alles, was da ist, ist wichtig. Vielleicht braucht man es noch.

Ich wusste nicht, wie man ruhig ist. Oder still. Oder vertrauensvoll. Ich kannte nur: Aufpassen. Alles im Blick behalten. Alles verteidigen. Mich. Mein Futter. Meinen Schlaf. Mein kleines bisschen Sicherheit.

Spazierengehen war schwer. Die Welt da draußen war riesig. Ich wurde ganz klein. Und wenn es zu viel wurde, blieb ich einfach stehen. Ich konnte nicht weiter. Ich wollte zurück in den Garten. Da kannte ich wenigstens ein bisschen.

Aber ich schaute. Ich beobachtete alles, jeden Atemzug, jeden Blick. Ich spürte, wenn jemand Angst hatte oder traurig war oder wütend. Ich wusste oft schneller als sie selbst, wie es ihnen ging. Ich war wie ein kleiner Spiegel - manchmal zu klar.

Ich wollte einfach nur wissen, wo ich sicher bin. Ob ich bleiben darf. Ob ich liebenswert bin - auch wenn ich beiße, auch wenn ich Angst habe, auch wenn ich nicht "funktioniere".

Und langsam... wurde es anders.

Sie wurde ruhiger. Sie fing an, mich wirklich anzusehen. Nicht nur mein Verhalten, sondern mich. Mein Herz. Meine Geschichte. Meine Not.

Ich lernte, zu warten. Erst kurz. Dann länger. Ich lernte, dass Hände auch streicheln können. Dass ich schlafen darf. Einfach so. Ohne Kontrolle. Ich lernte, dass ich nicht alles fressen muss, um zu überleben. Dass ich teilen kann. Dass ich sicher bin.

Ich bin noch vorsichtig. Ich beobachte noch. Aber ich beginne zu vertrauen. Ich beginne, mich wirklich zu zeigen. Und sie sieht mich!

Ich heiße Elsa. Und ich bin genau richtig, wie ich bin.

Und weißt du was? Du bist es auch!